8. März – Ein „Tag für die Rechte der Frauen, für den Frieden und eine humane Gesellschaft“

Heute ist „internationaler Weltfrauentag“. Vor diesem Hintergrund haben wir euch am Mittwoch ein längeres Interview mit Frau Milse präsentiert, der diese Thematik besonders am Herzen liegt. Heute möchten wir euch gerne die vielen interessanten Fakten vorstellen, die wir im Rathaus von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Gütersloh – Frau Inge Trame – erfahren haben. Eine Lektüre dieses – zugegebenermaßen etwas längeren – Interviews lohnt sich in jedem Fall.

Die Blog-Crew mit der Gleichstellungsbeauftragten Frau Inge Trame
  • Was macht eigentlich ein* Gleichstellungsbeauftragte*r? 

Die Gleichstellungsstellen sind aufgrund des Verfassungsauftrages aus Artikel 3 Absatz 2 entstanden. Gleichstellungsbeauftragte setzen das Recht auf dem Papier in die Praxis um. Diese Rechte und Aufgaben sind detailliert im Landesgleichstellungsgesetz und in der Gemeindeordnung festgelegt.

  • Braucht man im Jahre 2020 wirklich noch eine*n Gleichstellungsbeauftragte*n? 

Klar, da Gleichstellung nach wie vor noch eine Herausforderung ist. Es ist heute immer noch so, dass es keine tatsächliche Gleichstellung gibt. 

  • Worin sehen Sie momentan die größte Ungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, die Frauen einfach “hinzunehmen” haben?

Die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt nach wie vor eine Herausforderung, auch für das 21. Jahrhundert. Hier ein paar Beispiele

In politischen Gremien sind Frauen seltener zu finden

Bundestag: 36,1% Frauen; 63,9 % Männer
10% aller Rathäuser von Frauen geführt
Frauenanteil in Kommunalparlamenten: 27% (Gemeinderat: 9/19)
Landtag NRW: 28,34% weiblich
Kreistag Gütersloh: 46,67% weiblich
Ratsmitglieder in den Kommunen von Kreis GT: 29,1% weiblich
Mandate in GT: 35% weiblich (18/ 52)

Gleichberechtigte Berufs- und Arbeitswelt

Frauen verdienen 21% weniger als Männer, dies macht die sogenannte „Gender Pay Gap“ – die geschlechtsbedingte Gehaltslücke – deutlich.
Aufmerksam gemacht wird auf die ungleiche Bezahlung durch den jährlichen „Equal Pay day“.

Die Gehaltslücke beginnt übrigens bereits beim Taschengeld: Jungen bekommen durchschnittlich 20% Prozent mehr Taschengeld als gleichaltrige Mädchen, das ergab eine Umfrage aus Großbritannien. Je älter Kinder werden, desto größer wird der Unterschied.

Junge Frauen starten mit guten Schulnoten in eine Ausbildung oder ins Studium und dann?

  • Es gibt weniger Frauen in Führungspositionen oder als Unternehmenschefin
  • Mehr Frauen als Männer arbeiten in Teil-Zeit oder in einem Mini-Job, von denen sie nicht leben können
  • Berufe, in denen viele Frauen arbeiten, werden schlechter bezahlt
  • All diese Punkte führen dazu, dass Frauen im Alter eine kleine Rente haben
  • Viele Eltern mit kleinen Kindern wünschen sich, dass Väter und Mütter sich die Hausarbeit und die Berufstätigkeit gerecht aufteilen können, dies aber gelingt nur wenigen Eltern
  • Mehr Frauen als Männer nutzen familienfreundliche Maßnahmen, allerdings bieten 43% der Unternehmen keine flexiblen Arbeitsmodelle an.

Häusliche Gewalt

Frauen und Mädchen sind überwiegend Opfer von starker körperlicher und sexueller Gewalt, die meistens im häuslichen Umfeld passiert. Bundesweit werden 114.393 Frauen Opfer von Gewalttaten in der Partnerschaft (Polizeiliche Kriminalstatistik BKA 2018). Kreisweit gibt es 836 Frauen und Mädchen Opfer von Körperverletzungsdelikten, 187 Frauen und Mädchen von sexuellen Straftaten und es gibt 455 angezeigte Fälle von häuslicher Gewalt. Weltweit werden rund eine Milliarde Frauen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. Deswegen gibt es die Aktion „One Billion rising“. Diese ist jedes Jahr am Valentinstag, so auch dieses Jahr von dem Rathausplatz. 

Geschlechterbilder/ Gendermarketing

Gendermarketing beschreibt das Verkaufen von Dingen durch spezifische geschlechtliche Merkmale. Ein Beispiel dafür sind Ü-Eier für Jungen und rosane für Mädchen.

All´ diese Punkte zeigen, dass es viel zu tun gibt auf dem Feld der Gleichberechtigung.

  • Warum haben Sie diesen Beruf ergriffen? 

Ich will Gesellschaft chancengerechter gestalten, Impulse setzen, Netzwerke bilden und Menschen zusammenführen.

  • Würden Sie sich als Feministin bezeichnen? / Wie stehen Sie zu Feminismus?

„Der Feminismus“ findet sich als „Thema“ auf der Anklagebank. Für mich ist es wichtig, einen Beitrag zum Imagewandel von Feminismus zu leisten, gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung zu kämpfen und sich besonders für Frauenrechte und Gleichstellung stark machen. Ich selber bin für Feminismus, Gleichstellung, Toleranz und Diversität.

  • Warum nehmen viele Menschen Feminismus als etwas Negatives? 

Der Ausdruck Feminismus ist eben immer noch negativ besetzt und oft wird das Gendern auch als „Genderismus“ oder „Gender-Wahn“ bezeichnet.

  • Finden Sie, dass eine Gleichstellungsbeauftragte/ ein Gleichstellungsbeauftragter weiblich sein sollte (evtl. um die Probleme von Frauen, um die es ja hauptsächlich geht, besser nachvollziehen zu können)?

Das steht sogar im Gesetz. LGG NRW, §15, als Gleichstellungsbeauftragte ist eine Frau zu bestellen. Jedoch ist das in jedem Bundesland unterschiedlich.

  • Die Gleichstellungsbeauftragte der Bundesregierung machte vor einiger Zeit den Vorschlag, unsere Nationalhymne gendergerecht umzuschreiben. Halten Sie solche Forderungen für zielführend und was müsste Ihrer Meinung nach in Sachen Gleichstellung getan werden? 

Sprache verändert sich. Ein Werk aus dem 18. oder 19. Jahrhundert in Originalfassung klingt für uns heute befremdlich, Grund dafür ist die Weiterentwicklung der Sprache aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen. 

Sprache als ein Spiegel unserer Gesellschaft, unseres Zusammenlebens, drückt aus, wie wir leben und arbeiten. Ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch trägt zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern bei. Eine wertschätzende Ansprache hilft, Ausgrenzungen zu vermeiden. Alle Personen sollen sich angesprochen fühlen. Am besten ist es da, Formulierungen möglichst geschlechterneutral, wenn es nicht möglich ist, dann ist die Verwendung des Gender Sterns gut. (*)

  • Was verbinden Sie mit dem Weltfrauentag?

Sehr viel. Es ist ein historischer Tag und es ist eine Gelegenheit, auf Frauenthemen nochmal aufmerksam zu machen und den Blick darauf zu richten: Haben wir die Gleichstellung schon erreicht? Außerdem ist es ein Gedenktag, der nach wie vor noch sehr wichtig ist. Es gibt den Satz „Menschenrechte haben kein Geschlecht“ und das ist nach wie vor noch die Botschaft für gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen. 

  • Seit wann gibt es eigentlich den Weltfrauentag und ist das ein internationaler Feiertag?

Der internationale Frauentag wird jedes Jahr am 8. März gefeiert. Er ist ein Tag für die Rechte der Frauen, für den Frieden und eine humane Gesellschaft.

Zum ersten internationalem Frauentag am 19. März 1911 demonstrierten Frauen in Europa und den USA für das allgemeine Wahlrecht. Auf der zweiten internationalen Konferenz der Kommunistinnen 1921 wurde der 8. März als einheitliches Datum für den internationalen Frauentag beschlossen. Dieses Datum erinnert and den Streik der Textilarbeiterinnen im Jahre 1917 in Sankt Petersburg. Dieser Streit leitete die Februarrevolution und den Sturz des Zaren ein und hatte das Ende des Krieges sowieso die wirtschaftliche und politische Umwälzung in Russland zur Folge. 

1977 wurde der Internationale Frauentag von den Vereinten Nationen zum offiziellen Feiertag erklärt. In folgenden 26 Ländern ist der 8. März gesetzlicher Feiertag: Angola, Armenien, Aserbaidschan, Burkina Faso, Eritrea, Georgien, Guinea-Bissau, Kasachstan, Kambodscha, Kirgisistan, Laos, Madagaskar, Moldawien, Mongolei, Nepal, Russland, Sambia, Serbien, Tadschikistan, Turkmenistan, Uganda, Ukraine, Usbekistan, Vietnam, Weißrussland, Zypern.

Auch gibt es in vielen Ländern und Orten einen Aktionstag zu frauenpolitischen Themen. Das Programm des internationalen Frauentages orientiert sich an den jeweiligen aktuellen, landesspezifischen und/oder gesellschaftlichen Problemen, die zu geschlechtsspezifischen Benachteiligungen von Frauen führen.

  • In einigen Bundesländern ist das ja sogar ein gesetzlicher Feiertag – wie fänden Sie diesen Schritt auch in NRW? 

In Deutschland ist es kein bundesweiter Feiertag, aber in Berlin ist der 8. März ein gesetzlicher Feiertag. Es kann ja auch sein, dass es nochmal so ein Umdenken gibt und es in NRW auch so wird. Ich bin dann immer sehr zwiegespalten, ob es dann gut ist, da durch die freien Tage ganz schnell der eigentliche Grund des Feiertages vergessen wird bzw. in den Hintergedanken rückt.

  • *Und: Warum eigentlich keinen Weltmännertag? 

Es gibt tatsächlich einen Internationalen Männertag, und zwar am 19.11.2020. Es wurde ein sogenanntes „Bundesforum Männer“ gegründet, dieser Verband versteht sich als Lobby für Männer in Deutschland. Diese emanzipatorische Männerarbeit ist sehr wichtig. 

  • Welche Aktionen plant die Stadt Gütersloh am Weltfrauentag? (eventuell: Was ist für SchülerInnen dabei?)

Es gibt sehr viele verschiedene Angebote in Gütersloh. Von Workshops über Kinoabende und auch offene Treffen. Dazu gibt es einen ganzen Kalender mit dem Thema „lieber GLEICHbeRECHTigt als später.“   

Für Schülerinnen ist aber der Welt-Mädchen-Tag wahrscheinlich interessanter. Der ist am 11. Oktober, da hat es auch zum Beispiel schon Mal einen Flashmob gegeben.

  • Wenn Ihnen jemand am Weltfrauentag eine Rose schenkt, finden Sie das gut oder eher nicht (denn mit Rosen ist man ja ganz nah am Valentinstag oder an Muttertag – und dann ist die Rose vielleicht einfach nur “Geste”?)

Rosen erinnern an die Streik-Parole „Brot und Rosen“ der mehr als 20.000 Textilarbeiterinnen in den USA aus dem Jahr 1912. Beim sogenannten „Brot-und-Rosen-Streik“ kämpften diese Arbeiterinnen für ihre Interessen. Sie forderten nicht nur gerechten Lohn, also mehr „Brot“, sondern auch eine menschenwürdige Arbeits- und Lebensumgebung, also mehr „Rosen“.

  • Haben Sie ein Vorbild in Sachen Frauenrechte, Chancen für Frauen, Gleichberechtigung – irgendeine Person, die Ihnen da in den Sinn kommt?

Ich bewundere Frauen, die die Welt verändern, für ihre Chancengleichheit eintreten, Meilensteine geschaffen haben, gegen viele Widerstände.

Herzlichen Dank, dass wir zu Ihnen kommen durften und Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben!

https://www.instagram.com/stadtguetersloh/

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