Es ist Dienstag – Herzlich willkommen zur Andacht

Der „Rote“ und der „Fersenhalter“

Eine der erstaunlichsten Geschichten in der Bibel ist die Geschichte von Jakob und Esau aus dem ersten Buch Mose. Jakob und Esau sind Brüder, und unter Brüdern gibt es Eifersucht und Streit. Das kennen einige von euch aus eigener Erfahrung. Zum Glück vertragen sich Geschwister auch wieder. Bei Jakob und Esau jedoch ist die Eifersucht so groß, der Streit so heftig, dass der eine Bruder das Elternhaus verlassen muss, weil ihm der andere nach dem Leben trachtet. Bis sich die beiden vertragen, ist es ein weiter Weg. Ich will euch aber nicht schon zu viel verraten, sondern die erstaunliche Geschichte von Anfang an erzählen – heute, damit es spannend bleibt, nur den ersten Teil und den zweiten nächste Woche.

Der Streit beginnt, bevor Jakob und Esau überhaupt geboren werden. Die zwei sind nämlich nicht nur Brüder, sondern Zwillingsbrüder, und schubsen und treten einander schon im Mutterleib. Verzweifelt über die schwierige Schwangerschaft sucht ihre Mutter Rebekka Rat. Heutzutage würde sie zu ihrem Arzt oder ihrer Ärztin gehen. Ärzte, wie wir sie kennen, gab es damals jedoch nicht. Deshalb wendet sich Rebekka an einen Priester oder Propheten und fragt ihn, was aus den Kindern werden soll. Der Priester oder Prophet antwortet mit einem Orakel:

„Zwei Völker sind in deinem Leib,

und zwei Nationen werden sich aus deinem Schoße scheiden.

Eine Nation wird der andern überlegen sein,

und die ältere wird der jüngeren dienen.“

Ein Orakel ist ein Rätselspruch. Doch so viel ist klar: Jakob und Esau werden keine gewöhnlichen Kinder sein. Sie stammen aber auch aus einer ungewöhnlichen Familie. Bereits ihr Vater Isaak kam unter besonderen Umständen zur Welt. Niemand konnte mehr damit rechnen, dass seine Mutter Sara ein Kind bekommen würde, am wenigsten sie selber. Gott persönlich hatte bei Isaaks Geburt seine Hand im Spiel. Und Isaaks Vater Abraham, der Großvater also von Jakob und Esau, verließ einst seine Heimat, weil Gott ihm versprach, dass er ihn in ein eigenes Land bringen, zum Ahnherren eines großen Volkes und zum Segen für alle Völker machen würde.

Diese Verheißung geht nun auf Jakob und Esau über, besser gesagt auf einen von ihnen. Denn das Orakel des Priesters oder Propheten, den Rebekka befragt, redet zwar davon, dass ihre beide Söhne viele Nachkommen haben werden:


„Zwei Völker sind in deinem Leib,

und zwei Nationen werden sich aus deinem Schoße scheiden.“

Aber nur einer der Brüder wird den Segen erben, mit dem Gott Abraham gesegnet hat:

„Eine Nation wird der andern überlegen sein,

und die ältere wird der jüngeren dienen.“

Besonders ungewöhnlich ist der letzte Satz der Prophezeiung. Denn normalerweise ist es umgekehrt: Der Erstgeborene ist der Erbe und wird zum Herren über seine Brüder. Die Frage, wem von beiden das Erstgeburtsrecht zusteht, Jakob oder Esau, zieht sich durch ihre ganze Geschichte.

Als erster wird Esau geboren, am ganzen Körper mit roten Haaren bedeckt wie mit einem Fell. Daher sein Name. Auf Hebräisch klingt „Esau“ so ähnlich wie „der Rote“ oder auch „der Behaarte“. Von Esaus starkem Haarwuchs werden wir noch mehr hören. Sein Zwillingsbruder will ihm auf keinen Fall den Vortritt lassen und hält ihn bei der Geburt an der Ferse fest. Deshalb bekommt der Jüngere den Namen Jakob. Der Name klingt so ähnlich wie das hebräische Wort für „Ferse“. Der Streit, der schon im Mutterleib beginnt, geht weiter.

Das nächste Kapitel der Geschichte spielt ein paar Jahre später. Jakob und Esau sind herangewachsen. Esau hält sich gern draußen auf und geht zur Jagd. Ein Naturbursche, der Liebling seines Vaters Isaak. Isaak isst gern von dem Wild, das Esau gejagt hat. Auch darüber werden wir noch mehr hören. Die Mutter Rebekka dagegen hat Jakob lieber. Der bleibt zu Hause, bei den Zelten, in denen die Familie mit ihren Knechten und Mägden wohnt. Einen „gesitteten Mann“ nennt die Erzählung Jakob. Das hindert ihn nicht daran, seinem Bruder einen Streich zu spielen.

Eines Tages kommt Esau heim, während sich Jakob gerade etwas kocht. „Lass mich doch schnell von dem roten Gericht essen“, bittet ihn Esau, „von dem roten da, denn ich bin ganz erschöpft.“ Jakob ist bereit, Esau das rote Gericht zu überlassen. Aber nur unter einer Bedingung. „Verkauf mir zuvor dein Erstgeburtsrecht“, verlangt Jakob. 

Wieder der alte Streit. Jakob will nicht akzeptieren, dass Esau als der Ältere die Verheißung erben soll, die Gott einst Abraham gegeben hat: ein eigenes Land, ein großes Volk und den Segen für alle Völker. Deshalb schlägt Jakob Esau einen Handel vor: „Du bekommst etwas zu essen. Dafür bin ich in Zukunft der Ältere von uns beiden.“

Geht das überhaupt? Esau hat im Moment andere Sorgen. „Ach, ich sterbe fast vor Hunger“, antwortet er. „Was soll mir da die Erstgeburt?“ Jakob verlangt: „Zuerst schwörst du mir.“ Esau schwört und bekommt von Jakob Brot und Linsen. Er isst und trinkt, steht auf und geht davon.

Das Linsengericht ist sprichwörtlich geworden: ein viel zu niedriger Preis für eine sehr kostbare Sache. „So gering achtete Esau das Erstgeburtsrecht“, fügt der Erzähler im ersten Buch Mose tadelnd hinzu. Ob Esau den Tadel verdient und was Jakob noch anstellt, um der ältere Bruder zu werden, erfahrt ihr am nächsten Dienstag. Dann müssen wir uns auch die Frage stellen, welche Rolle Gott in der Geschichte spielt. Denn eigentlich geht es um ihn und darum, was Gott mit Jakob und Esau vorhat.

Euch allen eine schöne Woche! Gott segne euch.

Euer Martin Schewe

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