„Entscheidend ist, was drin ist“ – Das große Sommer-Interview mit unserem Schulleiter Martin Fugmann

Angela Merkel gibt in diesem Jahr kein Sommer-Interview – Herr Fugmann zum Glück schon.

… er schon!!!

Ein Schuljahres-Abschlussgespräch mit unserem Schulleiter ist schon fast so etwas wie eine Tradition geworden. Immerhin ist er hier „der Chef vom Ganzen“ und da ist es doch klar, dass uns sein Blick auf das vergangene Schuljahr besonders interessiert. Darüberhinaus versuchen wir ihm aber auch immer, einige persönliche Informationen zu entlocken. Wie es uns diesmal gelungen oder nicht gelungen ist, das lest ihr im folgenden Text! Viel Spaß!

  1. Was war das kurioseste Erlebnis dieses Schuljahr?

Wenn ihr lustig meint: Ich fand unsere Motto-Woche ganz lustig, da waren viele witzige Sachen dabei. 
Nicht kurios, aber schon interessant, fand ich die ganze Diskussion über Fridays for Future. Dass Schülerinnen und Schüler von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen, das fand ich sehr begrüßenswert. Interessant, wie die Schulen sich dadurch lavieren mussten, also klären mussten, ob das jetzt verboten oder nicht verboten ist. Das war alles sehr kurios und hat uns sicherlich beschäftigt.
 

2. Gab es auch größere Pannen?

Eigentlich nicht. 
*Ausweichfrage – journalistische Gründlichkeit: Gab es denn kleinere Pannen?
Kleine Pannen gibt es immer im täglichen Leben. 
Pannen sind natürlich, wenn Dinge passieren, von denen andere nicht wissen, dass sie passieren. Beispiel Kommunikation, wer weiß was von wem, da gibt es immer mal wieder Dinge, die nicht so gut laufen. 


Ansonsten hatten wir die Einbrüche. Das sind für mich immer sehr ärgerliche Sachen, weil hier eben randaliert wird und Dinge kaputtgemacht werden und wir am Ende dafür bezahlen müssen, weil es nie gelingt, die ausfindig zu machen, die es waren. 
Was ich auch unschön finde, ist, dass Dinge auf dem Schulhof kaputtgehen, dass Fahrräder geklaut werden, dass zerbrochene Flaschen hier liegen von etwaigen Partys, die hier an Wochenenden stattfinden … 
Dadurch leidet die Außenwirkung der Schule und ihr solltet ja auch in einer Umgebung zur Schule gehen können, die ihr gut findet und die schön und gepflegt ist. Das finde ich, ist nicht der Fall und das finde ich sehr schade. Hausintern ist das ja schon besser gelaufen. Der Hofdienst arbeitet schon ganz gut, aber da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.
 

3. Das „Unwort des Schuljahres 2018/2019“ – welches würden Sie da nominieren (und warum)?

Digitalisierung. 
Weil alle immer so tun, als ginge es um Technik und Laptops und Tablets, darum geht es eigentlich gar nicht. Es geht ums Lernen.

4. Wenn Sie an Ihre eigene Schulzeit zurückdenken, wer oder was hat Sie inspiriert?

Tolle Lehrer, nette Lehrer, freundliche Lehrer, Lehrer, die uns zum Nachdenken gebracht haben, Lehrer, die mit uns diskutiert haben, die uns herausgefordert haben, weil sie Thesen vertreten haben, mit denen wir nicht einverstanden waren. 
Inspiriert haben mich schrullige Lehrer, mit komischen Angewohnheiten und all´ die Sachen, die um den Unterricht herum waren. Ich denke, dass wird euch auch so gehen, man denkt an die Klassenfahrten, man denkt an die Begegnungen, man denkt an all diese Sachen, die mit den Menschen zu tun haben. Das ist gut. 

*Apropos Pannen: 
Gestern gab es eine Studie in der Zeitung und in der Studie steht, dass jeder zehnte Gymnasialschüler angibt, dass er in der Schule schon einmal gehänselt oder gemobbt worden ist oder er/sie sich irgendwie unfair behandelt fühlte. Das belastet mich… Es würde mich sehr belasten, wenn jeder zehnte Schüler am ESG sagen würde, dass er nicht gut behandelt wird und noch bedrückender empfände ich es, wenn von schulischer Seite nichts dagegen getan werden würde, wenn wir sagen müssten: „Das ist eben so, die Schule hat keine Mittel, um zu helfen.“

5. Welche Projekte stehen an unserer Schule an?

Wir kümmern uns im Moment ganz intensiv darum, unseren Unterricht weiterzuentwickeln. Wir wollen mit dem Kollegium daran arbeiten, dass weniger von den Lehrern vorgelesen und berichtet wird, so dass ihr aktiver werdet. Also, dass wir mehr in Projekten arbeiten und dass jeder die Möglichkeiten bekommt, sich selbst einen Lernweg auszusuchen. 
Es gibt eine Gruppe von 30 Kollegen, die arbeiten daran. 


Ein weiteres Projekt ist sicherlich die Frage unserer Weiterentwicklung im Netz. Stichwort Lernplattform Nerdl oder die Frage, was wir in Klasse fünf und sechs machen, weil die Kinder ja von der Grundschule kommen und da teilweise mit Endgeräten gearbeitet haben.


Was wir auch in Angriff nehmen, ist die Sanierung unseres Schulgebäudes. Der Altbau ist ein bisschen in die Jahre gekommen und das werdet ihr sicherlich merken, ich kann da nicht so viel zu sagen, aber da wird was passieren. Es gibt einen Plan und diesen Sommer werde die Chemieräume ja schon komplett saniert, das ist, so glaube ich, der Auftakt zu einer umfassenden Sanierung. Wir machen uns Gedanken darum, wie Schule heute auszusehen hat: nicht mehr ein Flur mit Türen, die alle zu sind und wo jede Klasse in ihrem Raum verschwindet …

Weiterhin wollen wir unsere Austauschmöglichkeiten erhöhen. Das Ziel ist es, dass jeder Schüler die Möglichkeit haben soll, für vier Wochen ins Ausland zu fahren. Deshalb haben wir dieses Jahr den Athens Austausch wiederbelebt, es gibt einen Austausch nach Indien, das ist ein richtig großes Projekt. Wir haben eine Erasmus Förderung für den Austausch mit den Niederlanden, Belgien und der Türkei. Und meine ehemalige Schule in Silicon Valley, Kalifornien, wird was mit uns machen, so dass wir Praktika machen können und viele Begegnungsmöglichkeiten haben. Das Projekt ist so angelegt, dass ihr auch im Unterricht über Skype-Konferenzen, E-Mails o.ä. mit diesen internationalen Standorten in Berührung kommt. Wir glauben einfach, dass Begegnungen mit anderen Kulturen total wichtig sind. 

6. Gibt es allgemeine Umbaumaßnahmen in den Ferien?

Ja genau, da sind die Chemieräume und die Musikräume.

7. Warum werden nur bestimmte Räume gestrichen?

Das hängt damit zusammen, dass wir in manchen Räumen gearbeitet haben, da wurden Leitungen verlegt, da wurden Rohre repariert und dann gibt es da abplatzenden Putz. Da gibt es eine Prioritäten Liste. Aber es hängt nicht an der Sympathie zu besonderen Schülern (*lach).

„B&B: Blogger mit Boss“

8. Was denken sie von der G8/ G9 Debatte?

Ja das habt ihr mich ja schon Mal gefragt… (*Anmerk. der Redaktion: ups, naja, ist ja auch eine kluge Frage:-)) Ich finde die Debatte völlig überflüssig. Ich fand G8 gut oder schlecht, ich finde G9 gut oder schlecht. Entscheidend ist immer, was drin ist, es ist nicht entscheidend, wie lang man hier ist. Entscheidend ist die Qualität von dem, was man hier erlebt. Schule kann so schlecht sein, dass man froh ist, dass man nach acht Jahren gehen kann und dass man sich ärgert, dass man noch ein neuntes Jahr bleiben muss. Schule kann so toll sein, dass man gerne die neun Jahre bleibt und wenn wir das vernünftig machen, dann habt ihr auch Spaß. Die Frage, ob ich nachmittags eine Stunde mehr Unterricht habe oder weniger, finde ich unerheblich, die ist nicht entscheidend, weil wir lernen, dass ihr so aktiv seid. Ihr macht Chor, ihr macht Orchester, ihr macht Theater, ihr macht Band – das haben die G8 Schüler genauso gemacht wie die G9 Schüler. Wir haben eine Mensa, wir haben viele Möglichkeiten und Lebensräume für nachmittags und das finde ich in Ordnung. Ich finde in Ordnung, wenn ihr Zeit bekommt, um in Vereine zu gehen, wenn ihr Zeit bekommt Fußball zu spielen oder Volleyball zu spielen, Musik zu machen alle diese Geschichten, dafür braucht ihr Zeit. Das geht unter G8 und auch unter G9. 

9. Auf Twitter haben Sie am 15. April 2019 Folgendes gesagt: „Die Botschaften an unser System sind eindeutig: Lehrpläne durchforsten, Unterricht zu einer Entdeckungsreise machen, Lehrer wieder zu wahren Pädagogen werden lassen!“ Was ist für Sie ein „wahrer Pädagoge“?

Einer, der sich um die Kinder kümmert und einer, der nicht nur korrigiert. Einer, der mit euch sprechen kann, im Vier-Augen-Gespräch, um zuzuhören, was ihr braucht und was eure Sorgen und Nöte sind. Einer, der euch zeigt, worin ihr gut seid, das ist wahre Pädagogik. Und unsere Lehrer müssen viel zu viel Kram machen, der sie davon abhält, dies zu machen. 
Jetzt zum Beispiel bei G9 gibt es neue Lernpläne und das ganze Kollegium muss neue hausinterne Curricula schreiben. Das sind Tausende Arbeitsstunden im Schreiben und Ausfüllen von Papier…

10. Wenn Sie nicht Lehrer geworden wären, was wäre die Alternative gewesen?

Oh, ganz schwer… Dirigent, das wollte ich eigentlich immer werden. 

11. Wohin fahren Sie in den Ferien und wie lange?

Wir fahren nach Österreich an den See, dann fahren wir weiter nach Südtirol. Da fahren wir Fahrrad und gehen Bergwandern und machen sonst nichts. Das klingt ganz langweilig, das machen wir jetzt auch schon drei Jahre hintereinander.

12. Können Sie dort komplett abschalten, oder denken Sie noch an Schule?

Ich kann da komplett abschalten. Wobei, jetzt muss ich auch sagen, mir macht es nicht viel aus, an Schule zu denken, ich denke gerne an Schule. Das ist für mich keine Last, sondern ein total spannendes und interessantes Arbeitsfeld. 

13. Sind Sie eigentlich abergläubisch?

Abergläubisch? Nein. Überhaupt nicht. Ich glaube nicht an Freitag den 13ten. Ich bin christlich, ich glaube. Habe meine festen Glaubensgrundsätze und versuche auch irgendwie danach zu leben oder mich irgendwie darauf zurückzubesinnen, aber das hat mit Aberglauben nichts zu tun. 

14. Welche Sprachen sprechen Sie?

Nur Deutsch und Englisch. Sonst nichts… Im Deutschen beherrsche ich aber mehrere Dialekte (*lach)

15. Fluch und Segen der digitalen Welt – man hat immer das Gefühl, dass es für Sie gar keinen Fluch, keine bedenkenswerten Seiten der digitalen Welt gibt. Ist das so? 

Es gibt in der Welt für alles bedenkenswerte Seiten. Auch eine Zeitung, die nicht digital ist, hat die Möglichkeit, schlechte und falsche Nachrichten zu verbreiten. Das ist an der Digitalisierung nicht neu, es ist nur etwas komplizierter, weil die Menge an Nachrichten und Informationen, die Manipulationsmöglichkeiten viel, viel größer sind. Aber das ist ja nur die negative Seite, wenn ich die positive Seite sehe, dann hat man die Chance mit der Digitalisierung das Negative zu besiegen, wenn man sich auf das Positive fokussiert und wenn man sie so nutzt, dass sie einem wirklich hilft. Und ihr könnt jetzt an künstliche Intelligenz denken und natürlich, da gibt es Schreckensszenarien. Stellt euch mal vor, es gäbe keine Lehrer mehr. Findet ihr vielleicht ganz gut, aber stellt euch mal vor, ihr lernt nur noch mit dem Tablet. Du wachst morgens auf, kriegst einen Begrüßungsbildschirm in der Art „Guten Morgen liebe Lisa, wie geht es dir heute“. Dann weißt du schon, der Computer spricht mit dir und du klickst es eh weg, weil es gar nicht von Interesse ist und dann fängst du mit der Übung eins, zwei, drei an und dann sagt dir das Ding in der vierten Stunde gehst du mal da hin und machst das und das und die Lehrer stehen hier nur noch irgendwie in der Gegend rum. Ist es das was wir wollen? Das will doch keiner. Oder nehmen wir Arztpraxen. Klar, du kannst über künstliche Intelligenz alle Daten haben. Heute kann ein Computer vielleicht bessere Diagnosen machen als ein Arzt. Aber wollen wir uns eine Welt ohne Ärzte vorstellen? Das ist jetzt wie bei den Pädagogen, wenn ich eine Software hätte, die den Lehrern beim Korrigieren hilft, so dass sie mehr Zeit haben, sich mit euch zu beschäftigen, dann wäre das richtig cool. Oder welcher Arzt hat denn Lust hunderte von Röntgenbildern jeden Tag anzugucken? Der würde doch lieber mit dem Patienten sprechen und ihm sagen, was für eine Therapie gut ist. Darum geht es. Und deshalb denke ich, dass Digitalisierung wirklich helfen kann. Aber wir müssen uns besinnen, auf das, was wir im Leben wollen. Und wenn wir einfach nur Technik wollen, dann ist es schlecht, deshalb brauchen wir Schule. 

Hier noch ein Video, in dem Herr Fugmann über „lebenslanges Lernen“ spricht:

https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-ostwestfalen-lippe/video-lokalzeit-owl—136.html

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