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Über wahre Heldinnen und Helden

Heldinnen und Helden sind mutig und stark – meistens wenigstens. Heldinnen und Helden leisten etwas Besonderes und werden dafür bewundert. Heldinnen und Helden wollen wir alle gern sein – manchmal wenigstens. Die Frage ist nur:
Wie machen wir das?
Wie  werden wir ein wahrer Held, eine wahre Heldin?

Sehen wir uns zunächst ein Märchen an. Ich nehme an, ihr kennt das Märchen vom tapferen Schneiderlein. Falls nicht oder wenn ihr euch nicht genau daran erinnern könnt, dann lest die Geschichte am besten nach. Ihr findet das Märchen vom tapferen Schneiderlein bei den Brüdern Grimm. Ihr Märchenbuch steht auch bei uns in der Schulmediothek. Und denkt bitte nicht: „Märchen? Aus dem Alter bin ich heraus!“ Märchen sind kein Kinderkram. Niemand ist dafür zu alt.

Das Märchen vom tapferen Schneiderlein beginnt mit einem Musbrot – einem Marmeladenbrot, könnten wir auch sagen. Auf diesem Mus- oder Marmeladenbrot nehmen die Fliegen Platz. Der Schneider, der das Brot geschmiert hat, greift sich ein Tuch, schlägt damit zu und zählt im Mus eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben tote Fliegen. „Bist du so ein Kerl?“, sagt sich der Schneider und bewundert seine Heldentat. „Das soll die ganze Welt erfahren!“ Der Schneider näht sich einen Gürtel, stickt darauf mit großen Buchstaben „Siebene auf einen Streich“ und zieht mit dem Gürtel um den Leib in die Welt hinaus.

Sieben Fliegen auf einem Musbrot zu erschlagen, ist nichts Besonderes, „Siebene auf einen Streich“ nur ein leerer Spruch. Große Klappe und nichts dahinter. Merkwürdig an der Geschichte ist jedoch, dass der Schneider die ganze Welt davon überzeugt, dass er wirklich ein Held ist. Als nächstes besiegt er einen Riesen. Der Riese merkt nicht, dass der Stein, den das Schneiderlein mit der bloßen Hand zerquetscht, nur ein Käse ist und der Stein, den der Schneider so hoch in die Luft wirft, dass er nicht zurückkommt, eigentlich ein Vogel. Der Riese ergreift die Flucht, und das Schneiderlein beschließt, eine Prinzessin zu heiraten und König zu werden. Selbst das gelingt ihm, obwohl es dazu neue Abenteuer bestehen muss – alle mit List und Tücke, immer mit mehr Glück als Verstand. Und das Merkwürdigste: Je länger die Geschichte dauert und je unverschämter der Schneider trickst und täuscht, desto lieber gewinnen wir Märchenhörerinnen und -hörer ihn, und desto mehr gönnen wir ihm seine Erfolge. Wenn der Außenseiter gegen die Favoriten antritt, der Kleine gegen die Großen: Riesen, Einhörner und wilde Eber, dann gehören unsere Sympathien dem Kleinen, und wir freuen uns mit, dass ausgerechnet er es schafft, die Prinzessin zu heiraten und König zu werden. Ist also das tapfere Schneiderlein womöglich doch ein Held?

An dieser Stelle nehmen wir am besten eine zweite Geschichte hinzu, jetzt eine aus der Bibel, aus dem Markusevangelium. Dort steht: „Man brachte Kinder zu Jesus, damit er sie berühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. Und er schloss sie in die Arme, legte ihnen die Hände auf und segnete sie.“

Eins haben die beiden Geschichten auf den ersten Blick gemeinsam, das Märchen vom tapferen Schneiderlein und die Erzählung aus der Bibel: In beiden Geschichten sind die Kleinen ganz groß. Das Schneiderlein wird König, und im Markusevangelium sollen sich die Erwachsenen ein Beispiel an den Kindern nehmen. „Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind“, sagt Jesus, „wird nicht hineinkommen.“ Ob wir uns auch am tapferen Schneiderlein ein Beispiel nehmen sollen, ist die Frage. An seiner großen Klappe lieber nicht. Aber dass dem Schneider etwas gelingt, was ihm niemand zugetraut hätte, das verbindet ihn mit den Kindern. Die brauchen nichts Besonderes zu können und zu leisten, um etwas Besonderes zu sein. Die Kinder gehören zu Gott. Das ist wichtiger, als etwas Besonderes zu leisten.

Was ein wahrer Held ist, wollten wir wissen, und wie wir einer werden. Wenn es nach Jesus geht, dann sind wir längst Heldinnen und Helden – wir alle, die kleineren und die schon etwas größeren Kinder. Wir müssen dafür keine Riesen, Einhörner und wilden Eber besiegen. Unser Heldentum bekommen wir geschenkt. Dass Gott für uns da ist, genügt.

Lieber Gott!

Manchmal wünschen wir uns, wir wären eine Heldin oder ein Held und nehmen uns vor, etwas Besonderes zu leisten. Dann hilf uns bitte, damit es uns gelingt.

Hilf uns auch, uns nicht zu viel vorzunehmen und uns nicht auf unbedachte Mutproben einzulassen. Nicht jeder hat damit so viel Glück wie das tapfere Schneiderlein.

Vor allem aber danken wir dir, dass wir dir am Herzen liegen und deshalb nicht erst etwas leisten müssen, um etwas Besonderes zu sein. Amen.

Habt eine schöne Woche, bleibt gesund!

Martin Schewe

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