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Wer soll König sein?

Könige sind aus der Mode gekommen. In manchen Ländern gibt es sie zwar noch, aber auch dort haben sie oft nicht mehr viel zu sagen. Zur Zeit, als die Geschichte spielt, die wir heute betrachten, war das noch anders.

Da waren Könige oder Königinnen – damals aber meist Männer – mächtige Leute und hatten eine wichtige Aufgabe. Sie regierten das Land und die Menschen, die dort wohnten. Und weil der König so mächtig war und seine Aufgabe so wichtig, hing viel davon ab, dass das Land und die Menschen einen fähigen König bekamen. Dass längst nicht alle Könige fähig waren, ist einer der Gründe dafür, dass sie aus der Mode gekommen sind und wir in Deutschland in einer Demokratie leben.

Zur Zeit, als unsere Geschichte spielt, gab es die Demokratie noch nicht. Deswegen lesen wir in der Bibel – dort steht die Geschichte –, dass Gott den Propheten Samuel beauftragt, einen neuen König für Israel zu suchen. Den bisherigen König von Israel, Saul, hält Gott nicht mehr für dieses Amt geeignet. Darum schickt er den Propheten Samuel nach Bethlehem zu einem Mann namens Isai. Unter Isais Söhnen werde er den neuen König finden.

Isai hat viele Söhne. Gleich den ersten hält Samuel für den Richtigen, einen Kerl wie ein Baum. Gott ist anderer Meinung und sagt: „Sieh nicht auf sein Aussehen und seinen hohen Wuchs.“ Und dann fügt Gott hinzu: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ Diesen Satz habt ihr vielleicht schon einmal gehört. Gut möglich, dass einige von euch ihn sogar als Taufspruch bekommen haben. Wer getauft wird, bekommt in der Regel einen solchen Taufspruch aus der Bibel. Meistens suchen ihn die Eltern aus. Der Satz, den Gott zu Samuel sagt, ist ein besonders beliebter Taufspruch: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“

Samuel sucht daher weiter nach einem König und lässt sich sieben Söhne Isais vorführen, ohne dass der Richtige dabei ist. Ob das alle wären, fragt er den Vater schließlich. Da ruft Isai seinen jüngsten Sohn. David muss von der Weide geholt werden, wo er die Schafe hütet.

Ausgerechnet der Kleinste wird König. Die Geschichte aus dem ersten Buch Samuel handelt davon, dass Gott sich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lässt. Worauf es ihm ankommt, drückt die Erzählung so aus: Gott „sieht das Herz an“. Und was sieht Gott, wenn er unser Herz ansieht? Offenbar nicht nur den Muskel, der unseren Kreislauf in Gang hält. In der Bibel ist das Herz für unsere Gefühle zuständig und für die Liebe, für Einsicht und für die Entschlüsse, die wir fassen. Wenn dem neuen König David später, in einer anderen Erzählung, „das Herz schlägt“, ist sein Gewissen gemeint, das sich regt. Und Davids Sohn Salomo wünscht sich von Gott „ein Herz, das hört“. Salomo, heißt das, möchte ein gerechter und weiser Herrscher werden. Gefühl und Verstand, Wille und Weisheit, all das nennt die Bibel „das Herz“ – die ganze Persönlichkeit eines Menschen; seinen Charakter, können wir auch sagen.

Was Gott sieht, wenn er unser Herz ansieht, haben wir gefragt und eine erste Antwort bekommen: Gott sieht, wer wir wirklich sind. Die erste Antwort genügt jedoch noch nicht. Denn sofort stellt sich die nächste Frage: Wer sind wir denn? Wenn Gott uns unter die Lupe nimmt, bekommt er ja ganz unterschiedliche Dinge zu Gesicht: unsere guten Seiten, aber auch die anderen. Ob er sich darüber freut? Sollen wir uns darüber freuen, dass Gott uns so genau kennt? Kehren wir zur Geschichte zurück.

Samuel hält sich also an den Ratschlag: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“, und sucht so lange nach einem König, bis Isai seinen jüngsten Sohn von der Weide ruft, wo er die Schafe hütet. Nach allem, was wir bisher gehört haben, sollten wir annehmen, David müsse einen vorbildlichen Charakter haben. Doch davon ist merkwürdigerweise keine Rede. Stattdessen erfahren wir, wie David aussieht. Er hat braune Haut, erfahren wir, schöne Augen und eine gute Figur. Nicht schlecht – aber hatten wir die Erzählung nicht so verstanden, dass Gott sich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lässt? „Der ist’s“, sagt er diesmal, und Samuel salbt David zum König. Sogleich stellt sich heraus, was ausgerechnet den Kleinsten zum König qualifiziert. „Der Geist des Herrn geriet über David von dem Tag an und weiterhin“, geht die Erzählung nämlich weiter. Die Königswürde ist nichts, was David sich verdient hat. Sie kommt von außen, fliegt David sozusagen zu. Gottes Geist verwandelt ihn. Sein Herz, seine Persönlichkeit, sein Charakter tragen fortan den Stempel der Güte Gottes. Das ist nicht alles, was es über David zu sagen gibt, aber das Wichtigste. David wird kein makelloser König sein, aber Gott hält an ihm fest.

Er sieht, wer wir wirklich sind, lautete die erste Antwort auf unsere Frage, was Gott sieht, wenn er unser Herz ansieht. Wer sind wir denn?, wollten wir daraufhin wissen. Die Fortsetzung der Erzählung antwortet uns auch auf diese zweite Frage. Wer wir wirklich sind, antwortet sie, bekommen wir geschenkt. Der Kleinste wird König, weil Gott ihn wichtig nimmt. Das gilt nicht nur für David. Könige sind zwar aus der Mode gekommen. In der Politik spielen sie keine große Rolle mehr. Aber im entscheidenden Punkt sind wir alle Königinnen und Könige. Denn wir können uns genauso darauf verlassen wie David, dass Gott uns annimmt und nicht mehr loslässt. Wenn er unser Herz ansieht, sieht Gott uns liebevoll an. Ihm ist bestimmt nicht alles recht, was wir tun. Aber wir sind Gott recht.

Lieber Gott,  wir freuen uns, dass du uns wichtig nimmst und für uns da bist. Das macht uns alle zu Königinnen und Königen. Bitte behüte uns und die Menschen, die uns etwas bedeuten, und lass auch die nicht allein, um die sich sonst niemand kümmert. Amen.

Die Geschichte, wie der Schafhirte David König wird, könnt ihr im ersten Buch Samuel im sechzehnten Kapitel nachlesen. Einen gesegneten Tag und eine gesegnete Woche!

Euer Martin Schewe

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