„…dass Auschwitz nicht sich wiederhole“
Theodor W. Adorno
Der heutige Montag ist durch einen wichtigen Gedenktag markiert – in aller Welt, besonders aber in Deutschland. Der 27. Januar ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Zum 80. Mal jährt sich der Tag, an dem im Jahr 1945 die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreite.
Auschwitz ist das Symbol für den Holocaust, den systematischen Mord an den Jüdinnen und Juden Europas. Heute gilt als gesichert, dass knapp sechs Millionen Jüdinnen und Juden während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden, darunter etwa 1,5 Millionen Kinder. Etwa eine Million Jüdinnen und Juden starben in Auschwitz. Diese Zahlen sprechen umso lauter, wenn wir uns klar machen, dass hinter jedem und jeder einzelnen dieser Millionen Menschen ein unverwechselbares Menschenleben, eine unverwechselbare Geschichte steht. Das größte deutsche Konzentrationslager ist Sinnbild für das Leid, das Menschen anderen Menschen zufügen können.
Auch wenn Auschwitz in erster Linie für die Verbrechen der Deutschen steht, erinnert der Holocaust-Gedenktag auch daran, dass jede Gesellschaft anfällig für „Zivilisationsbruch“ und gewaltsame Ideologie ist.
Der Soziologe Theodor W. Adorno hat sich – neben vielen anderen – intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie es überhaupt zu solcher Gewalt und Barbarei kommen konnte. Als ein wesentliches Merkmal stellt er den Verlust von Empathie heraus, also der Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, sich einzufühlen in seine/ihre Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Eigenschaften. Mit Blick auf Schule und Erziehung hat Adorno 1966 in einem Radiovortrag „Erziehung zur Mündigkeit“ in eindrücklichen Worten formuliert:
„Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. (…) Jede Debatte über Erziehungsideale ist nichtig und gleichgültig diesem einen gegenüber, dass Auschwitz nicht sich wiederhole. Es war die Barbarei, gegen die alle Erziehung geht.“
2005 mahnte der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel die Welt, die Erinnerung an den Holocaust für „die Kinder von heute“ wach zu halten. Denn hätte die Welt die Botschaft von Auschwitz gehört, die Morde in vielen anderen Ländern hätten verhindert werden können. Am Ende richtete Wiesel eine bange Frage an die Vertreter der Weltgemeinschaft: „Aber wird die Welt je lernen?“ Die Antwort darauf steht aus.
Der Holocaust-Gedenktag ist ein Tag der Erinnerung an die Opfer. Er ist ein Tag der Mahnung, „dass Auschwitz nicht sich wiederhole“. Er ist der Aufruf, mitzuarbeiten an einer menschenwürdigen Zukunft, einer Zukunft der Mitmenschlichkeit und des Friedens.
Der Holocaust-Überlebende Eli Wiesel hat in seinen Vorträgen und Schriften immer wieder vor der großen Gefahr der Gleichgültigkeit gewarnt und ermutigt zu Verantwortung und Engagement:
„Wo soll ich beginnen? Die Welt ist so groß. Ich werde also mit dem Land beginnen, das ich am besten kenne, mit meinem eigenen. Aber mein Land ist so groß. Ich fange doch lieber mit meiner Stadt an. Aber meine Stadt ist so groß. Am besten beginne ich mit meiner Straße. Nein, mit meinem Haus. Nein, mit meiner Familie. Ach was, ich beginne bei mir.“
An anderer Stelle sagt er:
„Niemand von uns kann so viel bewirken wie wir alle miteinander!“
Wenn wir uns als Einzelne, als Schule, als Gesellschaft auf den Weg machen, unser Denken und Handeln an Empathie, Solidarität und Verantwortungsbereitschaft auszurichten, werden wir auch im Kleinen etwas bewegen können!
Tobias Beckervordersandforth
(*Zum Titelbild: Das Foto zeigt die Bahngleise, über die Jüdinnen und Juden in Viehwaggons in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt wurden. Foto: RonPorter (pixabay.com))
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