Am bisher heißesten Tag dieses Jahres haben wir Blogger uns auf den Weg ins Rathaus gemacht. Zum Glück saßen wir dann mit unserem prominenten Interview-Partner Henning Schulz in einem kühlen Besprechungsraum und durften dort dann all´ die Fragen loswerden, die ihr uns zuvor geschickt habt. Ein bisschen aufgeregt waren wir schon, denn ein „Meet&Greet“ mit dem Bürgermeister absolvieren auch wir Blogger nicht alle Tage. Dass er uns sofort eine positive Rückmeldung in Bezug auf unsere Interviewfrage gesendet hat, das hat ihm bei uns im Vorfeld schon mal ganz viele Sympathiepunkte eingebracht – und dieser sympathische Ersteindruck hat sich bei uns im Laufe des fast einstündigen Gesprächs auf jeden Fall bestätigt und verstärkt. Wir sind gespannt, ob es euch auch so geht. Viel Spaß beim Lesen des Interviews – wir freuen uns auf eure Kommentare!
- Was würden Sie sonst gerade machen, wenn Sie hier nicht mit uns säßen?
Mein Arbeitsfeld ist ganz breit gefächert.
Als oberster Repräsentant der Stadt übernehme ich diesbezüglich ganz viele Aufgaben. Ich besuche KITAs, Jubiläen, die Suppenküche, gehe zu Abitur-Entlassfeiern uvm. Damit widme ich mich also allen Dingen, die in unserer Stadt besonders sind und möchte diese natürlich auch wertschätzen.
Außerdem bin ich ja auch der Chef von 1500 Beschäftigten der Stadt, um deren Belange ich mich kümmere.
Ein weiteres Feld meiner Tätigkeiten ist die Arbeit im Zusammenhang mit den sogenannten Töchterunternehmen der Stadt (z.B. dem Klinikum oder den Stadtwerken). Dort leite ich u.a. Aufsichtsratssitzungen oder ich bin Mitglied des Aufsichtsrates. Ihr seht – jede Stunde bietet etwas komplett anderes! - Was war denn ihr Lieblingsfach in der Schule?
Geographie, Biologie und Mathe - … und was ihr Hass-Fach? Warum?
Spanisch! Aufgrund der ungünstigen Ausgangsbedingungen, dass ich, nachdem ich von der Realschule auf das Gymnasium gewechselt habe, in drei Jahren so viel nachholen und lernen musste, wie die anderen in sechs Jahren. Meine Noten sind kontinuierlich gesunken und wenn wir mal eine Spanisch-Lektüre gelesen haben, dann habe ich diese immer auf Deutsch gelesen, damit ich überhaupt verstehen konnte, worum es ging. Das war wirklich schrecklich. - Auf welche Schule sind Sie gegangen?
Ich bin in Brockhagen zur Grundschule gegangen, in Halle dann erst zur Realschule und dann zum Gymnasium. - Wie jung sind Sie eigentlich?
Ich bin 46 Jahre! - Hatten Sie als Kind schon ein gesteigertes Interesse an Politik?
Im Rückblick würde ich das schon bejahen. Ich hatte immer schon ein Interesse für die Themen der Gesellschaft, für das „Große und Ganze“. - Haben sie früher in die Freundebücher geschrieben „Traumberuf: Bürgermeister“?
Nein! Das hätte ich auch vor sechs Jahren noch nicht als Traumberuf für mich reklamiert. Da war ich Stadtbaurat – und mehr wollte ich auch eigentlich nicht. Dann traten eine Reihe von Zufällen und Ereignissen ein, Frau Unger – meine Vorgängerin – ging 2015 in den Ruhestand, und da lag diese Chance quasi „vor meinen Füßen“. Ich habe einfach geschaut, ob es klappt. Es hat geklappt und jetzt bin ich schon seit vier Jahren Bürgermeister dieser Stadt. - Ein Satz zum Ausgang der Europawahl?
Zunächst einmal hat mich die Wahlbeteiligung sehr gefreut. Das zeigt, wie hoch die Bedeutung Europas ist und dass das Bewusstsein dafür gestiegen ist. Ein gutes Signal! Ein schlechtes bzw. bedenkliches Signal ist es jedoch, dass in vielen europäischen Nachbarländern – in Deutschland noch nicht ganz so stark – nationalistische politische Kräfte hohe Stimmanteile erzielt haben, Kräfte, die Europa im inneren zerstören wollen. Beachtenswert ist natürlich bei uns der kometenhafte Aufstieg der Grünen, der belegt, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit vielen Menschen ist. - Was halten sie von Rezos Video?
Oh, da könnte ich viel zu sagen….
Ich habe das Video drei Tage nach der Veröffentlichung schon gesehen.
Was ich daran überhaupt nicht in Ordnung finde, ist, dass dort sehr verallgemeinert über immerhin knapp 550 000 Mitglieder der CDU/CSU gesprochen wird und diese quasi alle abgestempelt werden. Eine Partei allein kann niemals Schuld an der politischen Entwicklung eines Landes sein. Er hat viele Menschen zu Unrecht degradiert. Politik wird und wurde in den letzten Jahren in politisch sehr unterschiedlichen politischen Zusammensetzungen und Koalitionen in Bund, Ländern und Kommunen gemacht – in Summe also ziemlich „bunt“ – es kann also gar nicht zutreffend sein, dass vereinfacht gesprochen „einer alleine“ die Verantwortung trägt.
Aber er hat einen Anstoß dahingegen gegeben, dass sich vor allem die großen Volksparteien – also die SPD und die CDU – verändern müssen (obwohl die viel zu späten Reaktionen seitens der CDU, die auf dieses Video folgten, eher ungeeignet waren …). - Was denken Sie, wie kann man Jugendliche heute (noch) mehr für Politik begeistern?
Indem man ihnen zeigt, dass es Spaß bereitet, Politik zu machen, das man hier Dinge gestalten kann. Noch in meinem Architekturstudium habe ich auf die Frage, was ich mal machen möchte, geantwortet, dass ich selber etwas bewirken möchte – und das kann man in der Politik. Man hat jederzeit die Möglichkeit, Dinge zu verändern. - Wieso hat die Stadt der AFD Politikerin Alice Weidel eigentlich erlaubt, in GT aufzutreten? Haben Sie da keinen Einfluss drauf?Per Grundgesetz ist in Deutschland die Versammlungsfreiheit garantiert und außerdem ist die AfD nicht als verfassungsfeindliche Partei eigenstuft und darf damit dieses Recht in Anspruch nehmen, das eben durch das Grundgesetz verbürgt ist. Die Stadt kann eine solche Anfrage nur dann ablehnen, wenn Plätze, die für eine solche Versammlung angefragt werden, schon belegt sind. In diesem Falle hat die AfD mehrere Termine und mehrere Plätze angefragt, so dass es rein rechtlich kein Grund zur Ablehnung gab.
- Was halten sie von „Fridays for Future“? Finden Sie es gut, wenn Schüler dafür auf die Straße gehen?
Ich finde es sehr gut, dass die jungen Menschen, dass ihr, auf die Straße geht und hinterfragt, was die Älteren tun. Gerade in den letzten 20 Jahren haben sich viele gefragt, wo die Jugend ist, wo ihre Stimmen geblieben sind – jetzt sind sie da und das sollte man wertschätzen. Jetzt muss ein Weg zur Umsetzung der auf diesen Veranstaltungen genannten Aspekte gefunden werden. Es ist mir viel daran gelegen, dass wir zusammen ins Gespräch darüber kommen, was in Gütersloh nun konkret gemacht werden kann. Außerdem war ich übrigens sehr begeistert davon, dass die Jugendlichen nicht nur mit abstrakten Vorwürfen, sondern schon mit vielen konkreten Themen und Ideen auf diesen Veranstaltungen auftraten. - Würden Sie Ihren Kindern die Teilnahme daran erlauben?
Ich habe es erlaubt und sie haben teilgenommen! - Welche konkreten Maßnahmen werden in Gütersloh für den Klimaschutz getroffen bzw. sind welche in Planung?
Es wird schon eine ganze Menge getan. Auf ganz vielen Ebenen gibt Konzepte mit vielen Maßnahmen: z.B. ein Klimakonzept, Mobilitätskonzept Biodiversitätskonzept, usw. Ich möchte aber auch einige konkrete Beispiele nennen:
Bei den Neubauten von öffentlichen Gebäuden (wie der Feuerwehr) liegen die Dämmschutzstandards mittlerweile über den gesetzlichen Standards. Hier findet ein vorbildliches, energieeffizientes, ein Standard nah am sog. „Passivhausstandard“ statt.
Ebenso forcieren wir Flachdachbegrünungen -das sieht nicht nur gut aus, es ist zudem ebenfalls eine ökologisch wertvolle Maßnahme.
Auch die Verkehrswende ist uns schon ein wichtiges Anliegen. Allein durch die roten Flächen, die extra für die Radfahrer vor Ampeln entstehen, wollen wir das Bewusstsein der Menschen „umswitchen“.
Wichtig ist jedoch, dass jeder für sich auch schaut, was man persönlich Tag für Tag schon heute für einen Beitrag leisten kann und die Verantwortung nicht nur auf die „da oben“ abwälzt. In vielen Bereichen kann jeder was verändern, sei es in Bezug auf die Ernährung/ Fleischkonsum, den Gebrauch des Autos, die Anzahl der Flüge, den Umgang mit Onlinehandel-Dienstanbietern usw. Bestimmte Dinge muss man dann sicherlich noch mit entsprechenden Anreizen, aber auch Verboten verstärken. - In eine ähnliche Richtung geht die Frage: Wann kommt der ökologische Aufbruch in Gütersloh: Mehr Raum für Radfahrer in der Innenstadt, damit wir ungefährdet zur Schule kommen, weniger Autos in der Innenstadt … Was halten Sie davon?
Das sind richtige und gute Ziele. Aber es ist eben auch so, dass sich jeder Mensch so verhält, wie es für ihn gerade von Vorteil ist. Der Weg der Veränderung ist ein mühsamer. So wird sich der Autoverkehr in der Stadt erst dann einschränken, wenn es auch keinen Spaß mehr macht, wenn es mehr Tempo 20 Zonen, mehr rote Ampeln, mehr Poller o.ä. gibt – aber auch im Gegenzug anderes Mobilitätsverhalten einen Vorteil hat. Es hilft nichts, wenn man kostenfreie Busfahrten anbietet, aber gleichzeitig die Parkplatzgebühren nicht verändert Man muss immer mehrere Faktoren bedenken – und daran arbeiten wir. Gerade zum Beispiel ganz konkret im Zusammenhang mit dem Thema „Elterntaxis“. - Was war für Sie das Aufregendste oder Spannendste, was Sie im Amt als Bürgermeister bisher erlebt haben?
Aufregend war vor Kurzem die Verabschiedung der in Gütersloh stationierten britischen Soldaten aus der Stadt. Da gab es so ein durchorganisiertes, formvollendetes und präzises Protokoll, das hat mich echt in Anspannung versetzt. - Wurden Sie auch schon mal beleidigt oder hat Sie jemand aufgrund einer Entscheidung, die Sie in Ihrem Amt gefällt haben, angegriffen?
Politisch wird man häufiger mal angegriffen, damit muss man erstmal lernen umzugehen. Manchmal hält jemand etwas für falsch, nur weil ich es bin, der es sagt. Über die verschiedensten Kanäle (Mail, Post, Telefon oder mit einer persönlichen Ansprache) wurde ich durchaus schon verbal angegriffen. - Haben Sie ein Lebensmotto?
Also ich steh jetzt nicht jeden Morgen mit einem konkreten Motto oder Satz auf, aber ich denke, ich verfolge das Prinzip: Themen lieber anpacken, als passiv zu sein. Ich möchte aktiv sein, eine aktive gestaltende Rolle übernehmen. - Welchen Promi würden Sie gern mal treffen?
Barack Obama! - Was ist Ihr Lieblingsplatz in Gütersloh?
Ich mag die Plätze rund um die renaturierte Dalke und da besonders die Dalken-Inseln (beim Botanischen Garten). - Wenn Geld keine Rolle spielen würde, welche Neuanschaffung für die Stadt würden Sie machen?
Ich würde das Geld in den Aus- und Umbau des Bahnhofsquartier stecken, ein Fahrradparkhaus und eine Verbindung unter den Schienen vom Gleis 13 zum Vorplatz bauen.
Wir danken Herrn Schulz ganz herzlich, dass er sich die Zeit für uns und eure Fragen genommen hat. Es war eine super Erfahrung für uns, spannend, lehrreich und inspirierend – und irgendwie einfach toll, den Bürgermeister hautnah erleben zu dürfen!
Die BloggerINNEN vom ESG 🙂